
Solange wir staunen können, solange sind wir offen dafür, mehr zu sehen, als nur das Augenscheinliche.
Kinder können gut staunen. Sie bekommen große Augen und saugen förmlich ein, was sie
sehen. Ein Kind, das einen Marienkäfer auf seiner Hand krabbeln läßt spürt das Lebendige dieses kleinen Käfers auf seiner Haut. Es ist erstaunt, dass es dieses Wesen gibt und es lebendig ist und so hübsch aussieht.
Aber auch Erwachsene können staunen. Wer staunt nicht beim Anblick eines Sternenhimmels? Wer ist nicht berührt von der Schönheit eines Sonnenaufgangs oder Sonnenuntergangs, von dem geheimnisvollen Licht des Mondes? Wen zieht es nicht ans Ufer eines Baches, an einen See, an die Küste eines Meeres? Wer hat sich noch nie in Betrachten des Spieles der Flammen verloren? Wen faszinieren nicht die sich ständig wandelnden Wolkenformationen am Himmel? Wer freut sich nicht über die unerwartete Begegnungen mit einem Reh, das dasteht und den Menschen vorsichtig beäugt? In diesen Momenten spüren wir einen Zauber. In diesen Momenten werden wir still und fühlen uns verbunden mit der Größe der Schöpfung. Wir fühlen das Heilige in uns, das eins wird mit dem Heiligen all dieser Schönheit. Wir werden wahrlich„religiös", rückverbunden mit der Quelle, aus der alles kommt.
Es gibt heute viele, die für sich entschieden haben, zu glauben, dass es keinen Gott gebe, und dass aufgeklärte Menschen keinen Gott bräuchten. Es ist die Freiheit des Menschen, an die Existenz einer Höheren Macht zu glauben, oder nicht. Menschen können auch ein gutes, verantwortungsvolles Leben führen, ohne durch Vorschriften und Gesetze einer Religion zum erwünschten Wohlverhalten angeleitet werden zu müssen. Wenn sie das Staunen kennen und das Erleben der Verbundenheit mit Allem, Freude und Dankbarkeit für ihr Leben, werden sie solidarische und friedliebende Menschen sein.
Ich denke, alle kennen das Staunen. Selbst in schwierigen Lebensphasen kann es uns überraschen und einen Moment des Erkennens bringen. Wer staunen kann, kann sich wahrlich Mensch nennen, und die Erfahrung des Staunens kann der Funke sein, der unsere Herzen öffnet.